Aktuelle Krisen belasten den gesellschaftlichen Zusammenhalt, leisten Rechtspopulismus und Verschwörungstheorien Vorschub. „Dem treten wir mit dem Handlungskonzept `Tolerantes Brandenburg` (TBB) entgegen“, so die Chefin der Staatskanzlei, Ministerin Kathrin Schneider, die dem Kabinett heute den 11. Bericht zur Umsetzung des Konzepts für die Jahre 2022 und 2023 vorlegte. Schneider: „Der Bericht fällt in eine Zeit, die von ineinandergreifenden Krisen geprägt war, die teilweise weiterhin bestehen. Das verunsichert viele Menschen und setzt unsere freiheitliche Demokratie unter Druck. Wir haben in der vergangenen Woche 75 Jahre Grundgesetz und 35 Jahre Fall der Mauer durch die friedliche Revolution in Ostdeutschland gefeiert. Die Menschen in Brandenburg haben sich die Demokratie erkämpft und die Mehrheit will sie bewahren. Dabei hilft unser Netzwerk `Tolerantes Brandenburg`. 51 Partner arbeiten hier zusammen gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus und für den Erhalt der Demokratie in unserem Land.“
Der Bericht beruht auf einem Landtagsbeschluss vom 27. August 2020 („Den gesamtgesellschaftlichen Kampf gegen den Rechtsextremismus konsequent fortsetzen“). Er fordert im mindestens zweijährigen Turnus zur jeweiligen Plenarsitzung im Juni über die Umsetzung des 1998 von der Landesregierung beschlossenen Handlungskonzeptes „Tolerantes Brandenburg“ zu berichten und dabei ein aktuelles Schwerpunktthema hervorzuheben.
Dies ist im 11. Bericht die Entwicklung der „Reichsbürger“-Szene in Brandenburg, darunter dem Versuch der Landnahme durch das selbst ernannte „Königreich Deutschland“ (KRD) in Rutenberg (Landkreis Uckermark). Dem neu gegründeten DemokratieBündnis Rutenberg e.V. gelang es jedoch gemeinsam mit dem vom TBB unterstützten Mobilen Beratungsteam (MBT) den Siedlungsaktivitäten entgegenzutreten. Das Bündnis wurde dafür am 23. Mai durch Bundesinnenministerin Nancy Faeser als „Botschafter für Demokratie und Toleranz“ ausgezeichnet. Schneider: „Die Rutenbergerinnen und Rutenberger haben sich zusammengeschlossen, brachten und bringen ihren Protest zum Ausdruck und sorgten für viel Aufmerksamkeit. Das ist ein starkes Signal, sowohl an die Demokratiefeinde als auch an alle, die sich um unsere Demokratie sorgen: Die Zivilgesellschaft ist stark und sie wehrt sich. Dieser Einsatz verdient höchste Anerkennung.“
Laut Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2023 ist die Anzahl der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ von 650 auf 1.000 Personen gestiegen. Etwa zehn Prozent der „Reichsbürger“ in Brandenburg werden dem Rechtsextremismus zugeordnet. Schneider: „Das Beispiel Rutenberg zeigt, wie wichtig und wirksam die Beratungs- und Netzwerkstrukturen des TBB sind. Die Partner unterstützen sich gegenseitig und können so schnell und flexibel auf aktuelle Herausforderungen reagieren.“
Der Bericht kommt zu dem Fazit, dass die Arbeit der Koordinierungsstelle im Zeitraum 2022/23 wesentlich durch Maßnahmen zur Bewältigung der ineinandergreifenden Krisen geprägt war. Im Zuge der Corona-Proteste entstanden eine Reihe von Verschwörungstheorien. Diesen trat die Kampagne „Brandenburg zeigt Haltung“ entgegen. Mit dem Projekt „Help To – das Online-Portal für soziales Engagement vor Ort“ des Neuen Potsdamer Toleranzedikts unterstützte die Koordinierungsstelle mit Beginn des Ukraine-Krieges intensiv die Arbeit von Willkommensinitiativen bei der Bereitstellung und Verbreitung von Informationen für Geflüchtete aus der Ukraine. Ein weiterer Schwerpunkt war das 25-jährige Jubiläum des Handlungskonzeptes „Tolerantes Brandenburg“ im Juni 2023.
Der lauter werdenden rassistischen Stimmung, die sich gegen Geflüchtete und zugewanderte Arbeits- und Fachkräfte richtete, begegnete die Koordinierungsstelle mit der Aktualisierung des Aufrufs des Bündnisses für Brandenburg im Juli 2023. Bislang gibt es über 250 Unterstützerinnen und Unterstützer. Landesweit wurden gemeinsam mit dem Brandenburgischen Institut für Gemeinwesenberatung demos regionale Demokratiedialoge seit September 2023 durchgeführt. Darüber hinaus gab es zahleiche Demokratiemobil-Einsätze. Die Aktivitäten in den sozialen Medien wurden strategisch angepasst und ausgebaut.
Auch das Projekt „Bänke gegen Rassismus“ im Rahmen des Kooperationsnetzwerkes wird sehr gut angenommen. Mittlerweile stehen mehr als 225 dieser Sitzbänke in 92 Brandenburger Kommunen, darunter vor Rathäusern und Kreisverwaltungen sowie eine Bank in Berlin. Weitere Bänke werden aufgestellt, wie z.B. am Technischen Museum in Uebigau-Wahrenbrück (Elbe-Elster).
Dem Bericht zufolge unterstützte die Koordinierungsstelle TBB in den Jahren 2022/23 über 160 Projekte mit Fördermitteln in Höhe von insgesamt etwa 9,4 Millionen Euro aus Landes- und Bundesmitteln. Der Bericht, der auch Aktivitäten der Ressorts darstellt, wird nun dem Landtag zugeleitet.
Das Handlungskonzept Tolerantes Brandenburg wurde 1998 in Reaktion auf rechtsextremistische Gewalt vom Kabinett verabschiedet und 2005 aktualisiert. Dem Netzwerk gehören inzwischen 51 Partner an – von der AOK über die Feuerwehr und die Landfrauen bis hin zum Landesverband Brandenburgischer Imker und der Neuen Bühne Senftenberg. Diese Kooperationspartner sind sich darin einig, dass Rechtsextremismus und Rassismus nicht hingenommen werden dürfen. Es wurde ein umfangreiches Netzwerk aufgebaut mit sieben spezialisierten Beratungsträgern (Mobiles Beratungsteam, RAA Brandenburg, Fachstelle Islam, Fachstelle Antisemitismus, Opferperspektive, Aktionsbündnis und Sportjugend) sowie 20 lokalen Partnerschaften für Demokratie.
Das TBB im Netz: www.tolerantes.brandenburg.de
Das Bündnis für Brandenburg im Netz: www.buendnis-fuer-brandenburg.de